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Unter einem Dach miteinander vernetzt

Die ‚Fensterschule‘ in Groningen

Im Juli konnte das InSide-Team eine zweite explorative Exkursion in das europäische Ausland unternehmen. Ziel waren diesmal die Niederlande, in denen bereits seit den 1990er Jahren in Orientierung an der amerikanischen ‚community school‘-Bewegung verstärkt nach Wegen sozialraumorientierter Bildung gesucht wird.

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In Groningen wurde vor 20 Jahren mitten im Stadtviertel Selwerd auf Grundlage der Idee die soziale Kohäsion zu stärken ein großer Gebäudekomplex erreichtet, der für alle Menschen öffentlich zugänglich ist und eine Reihe verschiedener Einrichtungen unter seinem Dach zusammenfasst, wie z.B.

  • mehrere Kindertagesstätten,
  • eine Grundschule,
  • die Stadtteilbibliothek,
  • ein Schwimmbad
  • ein Café,
  • das Nachbarschaftszentrum,
  • das WIJ Team (ein soziales Stadtviertelteam) und
  • das Consultatiebreau.

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Auch wenn die räumlichen Bedingungen durch die bauliche Nähe für organisationsübergreifende Kooperation damit ideal sind, hat es viele Jahre gedauert, dass die einzelnen Akteure tatsächlich stärker zusammenarbeiteten. Dafür galt es wechselseitig Organisationslogiken zu verstehen sowie zu hinterfragen.

Heute verfolgt man das Ziel, eines nahtlosen Übergangs für Kinder von ihrer Geburt bis zur Sekundarschule. Damit dies gelingt gibt es diverse Unterstützungsstrukturen, Austauschformate, Kooperationstreffen und Projekte. So treffen sich beispielweise Führungskräfte in einer Art Steuergruppe aller acht Wochen, um zu diskutieren, wie es den Kindern im Viertel aktuell geht, welche Vorhaben gut laufen, wo Veränderungsbedarf besteht und ob neue Projekte konzipiert beziehungsweise die Zusammenarbeit intensiviert werden muss. Die Erkenntnisse und Verabredungen tragen die individuellen Akteur*innen wieder in ihre Organisationen zurück, um sie dort umzusetzen.

Solche Treffen kreieren wiederum Möglichkeitsräume niedrigschwelliger Kooperation: So teilen sich beispielsweise die Grundschule und zwei Kindertagesstätten einen gemeinsamen Indoor-Spielbereich. Zu bestimmten Phasen des Tages treffen hier die Grundschüler*innen und größere Kindergartenkinder aufeinander und lernen sich so kennen. Aber auch die Lehrer*innen der Einrichtungen haben so die Möglichkeit zukünftige Schulkinder in vertrauter Umgebung kennenzulernen – und andersherum. Daneben treten Pädagog*innen der Organisationen in diesem Setting ohne vorherigen Koordinierungsaufwand in Kontakt miteinander.

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Sozialraumorientierung geht natürlich über die Kooperation zwischen Organisationen hinaus. Ein wichtiger Pfeiler pädagogischer Arbeit ist der Einbezug der Eltern. Um diese zu gewährleisten, gibt es an den Schulen im Stadtviertel Selwerd so genannte ‚Brückenfunktionär*innen‘. Dabei handelt es sich um an der Schule verortete Personen, die keinen Lehrauftrag haben, sondern sich komplett darauf konzentrieren können Kontakt zu den Eltern herzustellen und damit eine Vertrauensbasis aufzubauen. Um dies zu ermöglichen, besucht die*der Brückenfunktionär*in die Eltern zu Hause, spricht mit Ihnen über ihre Bedarfe sowie Fragen und versucht zu vermitteln. Auch existiert in den Schulen ein Elterncafé, in dem die Eltern ohne Anmeldung vorbeischauen können und niedrigschwellig ins Gespräch kommen können. Die Kooperation mit Eltern kann so intensiviert werden und Probleme frühzeitig bearbeitet werden. Dies kommt schlussendlich der pädagogischen Arbeit mit den Schüler*innen zu Gute.

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Die Fensterschule in Selwerd ist ein eindrucksvolles Beispiel, wie bereits in der architektonischen Konzeption von Gebäuden der Grundstein für gelingende Kooperation formaler und non-formaler Bildungsakteure sowie den Eltern im Sozialraum gelegt werden kann. Aber die Erzählungen der Protagonist*innen zeigen gleichzeitig, dass nur räumliche Nähe nicht automatisch zu produktiver Zusammenarbeit führt, sondern dafür verlässlicher, regelmäßiger und vertrauensvoller Austausch nötig ist. Zudem ist eine geteilte Wertebasis, die den Unterstützungsbedarf der Familien vor Ort und nicht deren Defizite in den Mittelpunkt rückt, elementar.