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Schule als Orchester

Das Kulturanum in Jena

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Ende September besuchte ein Teil des InSide Teams die staatliche Gemeinschaftsschule „Kulturanum“ in Jena, Thüringen. Im Jahr 2019 wurde die Schule mit dem Jakob Muth-Preis für inklusive Schulen ausgezeichnet. Grund genug für uns diese Schule vor Ort kennenzulernen, zumal sie in einem herausfordernden Stadtteil liegt und der Ausgleich von Bildungsbenachteiligung daher ein zentrales Thema ist. Getreu dem Leitbild „Das System Schule ist eine konfliktreiche Bühne mit einem großen Orchester, dessen Instrumente immer wieder neu gestimmt werden müssen, damit ein harmonisches Zusammenleben entsteht.“, welches uns bereits im Foyer begegnete, gestaltet das Kulturanum seinen Schulalltag.

Das Kulturanum verfolgt das Ziel, einen gemeinsamen Lebens- und Lernraum für alle Schüler*innen zu bieten. Dies gelingt durch  jahrgangsübergreifendes und projektorientiertes Lernen im inklusiven Setting. Die Schule weist zudem eine der höchsten Integrationsquoten des Bundeslandes auf und sieht sich seit der ersten Stunde als inklusiver Lernort, der das Ziel hat, Kinder im umgebenden Sozialraum zu unterstützen.

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Drei Jahrgänge werden jeweils zusammen auf vier unterschiedlichen Niveaustufen in einer Gruppe unterrichtet. Eine Patenschaft unter den Schüler*innen unterstützt das Ziel des gemeinsamen Lernens. Und so entstehen Situationen wie jene, dass im Projektunterricht Emilie (Name geändert), die gerade erst seit drei Wochen die Schule besucht, sich nicht sicher ist, welche der bildlich dargestellten Wörter auf dem Blatt vor ihr mit einem "A" beginnen. Ohne Kontakt zur Lehrerin aufbauen zu müssen, lässt die Drittklässlerin Judy (Name geändert) kurz ihre Aufgaben liegen und widmet sich geduldig und respektvoll ihrer Klassenkameradin: "Sprich mal das Wort Aaaaaaaaaameise ganz langsam. Kommt da ein 'A' vor?" Nacheinander werden alle Bilder besprochen und anschließend widmen sich die beiden Mädchen wieder ihren Lernmaterialien. Kooperative Situationen wie diese lässt jedes Kind sowohl in die Rolle Lernender als auch Lehrerender schlüpfen erklärt die Klassenlehrerin. Und schließlich erhält sie dadurch die Möglichkeit, andere Kinder individuell zu unterstützen. Damit die mehrstufige Differenzierung nicht zur Überforderung der Lehrkräfte führt, arbeitet die Jahrgangteams eng miteinander zusammen und bereiten z.B. Projektthemen gemeinsam vor. So wird an diesem Morgen in verschiedenen Gruppen parallel das Thema 'Äpfel' bearbeitet.

Schüler*innen werden regelmäßig angehalten, ihren eigenen Lernprozess zu reflektieren. Am Ende jeder Lerneinheit tragen sie dafür in ihr 'Logbuch' ein, was sie gelernt haben. Das Logbuch ist quasi ein von der Schule entworfenes Hausaufgabenheft – nur dass dort keine Hausaufgaben eingetragen werden. Diese gibt es nämlich ebenso wie Noten (bis Klasse 6) nicht. Stattdessen ist im Logbuch Platz neben den Lernfortschritten u.a.  die eigenen wöchentlichen Lernziele zu notieren, Feedback der Lehrkraft zu lesen oder in dafür vorgesehenen Feldern die Kommunikation mit den Eltern zu unterstützen. So entsteht über das Schuljahr hinweg eine ausführliche Dokumentation des Lernprozesses, die aussagekräftiger ist als jede Note.

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Kulturelles Lernen wird seit Gründung der Schule vor zehn Jahren in den Mittelpunkt gestellt. Jede der heterogenen Lerngruppen ist dabei benannt nach dem Namen eines Musikinstrumentes: Die Blasinstrumente (Jahrgang 1-3), die Schlaginstrumente (4-6), die Streicher (7-9) sowie die Tasteninstrumente. Das kommt nicht von ungefähr, denn jedes Kind lernt in der Schule ein Instrument. Dass dies auf einem hohen Niveau geschehen kann, wird durch die Kooperation mit Akteuren aus dem Sozialraum sichergestellt und so begegnen auch Kinder aus Familien, die musikalische Förderung nicht im Fokus sehen, der Musik.

Das Kulturanum ist ein eindrückliches Beispiel für eine 'lernende Organisation', also eine Schule, die mit einer Vision gestartet ist und seitdem kontinuierlich sowie selbstreflektierend die eigenen Praktiken und Strukturen weiterentwickelt.

Ein großes Dankeschön richten wir noch einmal an die Schulleitung des Kulturanums, die uns sehr herzlich willkommen geheißen haben! Wir konnten viele neue und spannende Einblicke erhalten und freuen uns auf weitere Erfahrungen dieser Art.