Inklusion in allen Facetten

Inklusive Bildung in Schule und Universität (Island Exkursion Tag 3)

Shadhlidarskoli

Am Mittwoch konnten wir als Gruppe vormittags einen Einblick in die Shadhlidarskoli im Großraum Reykjavik gewinnen. Die Schule befindet sich im vierten Schuljahr im Schulgebäude und hat einen großen Sportplatz mit vielfältigen Sportgeräten, einem Spielplatz und einer weitläufigen Schulhofarchitektur.  
Die weitläufige Gestaltung zeigt sich auch im Schulhaus, welches offen, hell und gelb& grünen Farbtönen gestrichen und Designs ist.          
Im Lehrer*innenzimmer war eine gemütliche Sofaecke, Massagesessel sowie ausreichend Platz für kollegialen Austausch gegeben.            
In der Schule sind 330 Schüler*innen sowie ein Kindergarten. Es gibt eine Kooperation mit einer Musikschule. Die Schule ist für 450-500 Schüler*innen geplant - das wird Stück für Stück aufgebaut.         
Das Motto der Schule ist Cooperation, Friendship und Resilience und wird als ein Schmetterling dargestellt. Das Schulmotto ist im ganzen Schulhaus sichtbar und wird auch im Rückmeldesystem ersichtlich.        
In der Schule wird Co-Teaching praktiziert. Es sind zwei Lehrer*innen pro Klasse. Im Schulkonzept wird extra ein extra Zeitslot für die Lehrkräfte eingeplant, in dem gemeinsam Unterricht geplant wird.    
Das Schulgebäude ist weiträumig geplant und verfügt über Werkräume, Küchen, Tanz- und Theaterraum, Schulbibliothek, einem Aufenthaltsraum mit Tischtennis und PlayStation, etc. Die Klassenräume bestehen aus 2 Räumen und einem Differenzierungsraum pro Klasse, die flexibel im Teamteaching genutzt werden können. Die Farbgebung im Schulhaus orientiert sich an den Klassenstufen, die in den jeweiligen Klassenräumen sind.    
Konzeptuell beginnt  die Schule sich am Universal Design of learning zu orientieren und nutzt ein School Management Training. Zudem wird Wert auf Bewegung gelegt, sichtbar an der „Daily Mile“, die Schüler*innen und Lehrkräfte absolvieren.
Besonders hervorgestochen ist der Ansatz, dass die Schule (abweichendes) Verhalten von Schüler*innen mit einem klar vorgegebenen Interventionsrahmen begegnet. Die Schulregeln sind hier orientiert am Schulmotto und durch zugehörige Verhaltensweisen ersichtlich. Auf diese Regeln und Konsequenzen wird stringent hingewiesen.
Die Schulleiter*in hatte die Möglichkeit bereits vor dem Start in der neuen Schule und dem -gebäude eine Vision ihrer Schule innerhalb eines 3-Jahres-Plans zu entwickeln und angestrebte Verhaltensweisen der Schüler*innen in der Schule zu antizipieren und ihre Ideen im Schulgebäude einfließen zu lassen.
Innerhalb der Schule sind Verantwortlichkeiten verteilt. Es wird in einem 5-köpfigen Steuerungsteam gearbeitet. In Treffen mit Eltern werden Inhalte besprochen und die Perspektiven einbezogen. Durch ein anonymes Meldesystem erhalten Schüler*innen die Möglichkeit auf Missstände hinzuweisen und Veränderungen anzustoßen. Deutlich wurde auch, dass die Schule die Belange der LGBTQI-Community mitdenkt. Zu diesem Zweck kooperiert die Schule mit einer entsprechenden Organisation. In der Praxis zeigt sich dies u.A. durch Einzeltoiletten für Schüler*innen jeden Geschlechts.

 

University of Reykjavik

Am Nachmittag hatten wir die Möglichkeit einen Einblick in den Diploma Studiengang „Vocational Studies for People with disabilities“ (in etwa: „Berufsbezogene Studien für Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf) an der University of Iceland zu bekommen. Hier studieren im aktuellen Semester 8 Menschen. Das Programm befindet sich mittlerweile im achten Jahrgang. Die Studierenden können sich auf verschiedene Bereiche spezialisieren:

  • pre-school Education
  • Leisure Time Education
  • Field of disability studies, advocacy and Empowerment

Mit 15 ECTS pro Semester arbeiten die Studierenden darauf hin, ihr persönliches Ziel einer Anstellung im pädagogischen Kontext zu erreichen. Sie nehmen an regulären Seminaren und Vorlesungen für Studierende der Lehramtsstudiengänge teil. Diese zeichnen sich durch kooperative Lernformen und Austausch zwischen den Studierenden aus. Die Teilnehmer*innen des Studiengangs werden in Bezug auf die Fachinhalte, aber auch darüber hinaus von anderen Studierenden unterstützt.

Im weiteren Verlauf des Tages konnten wir Vorträgen von Dozierenden der University of Iceland folgen. Hier wurde uns zum einen ein Einblick in eine sich entwickelnde Lehrer*innenbildung und Lehrpraxis gegeben, die auf vielfältigen technologischen und methodischen Innovationen beruht. Die Frage, die sich gestellt wird, ist: Was sind die Lehrmethoden der Zukunft? Dieser Frage wird sich intensiv gewidmet, v.a. unter Einbezug der technischen Lebensrealitäten von Schüler*innen. Beispielsweise werden Roboter eingesetzt um hybride Lernsituationen für die Personen in Präsenz und im digitalen Raum zu vereinfachen. Zudem wird methodischer flipped learning, Design thinking, Social Innovation und entrepreneurial Education gearbeitet - Begriffe, die nicht nur genutzt sondern auch tatsächlich mit Inhalt gefüllt werden.
Die universitäre Ausbildung ist im allgemeinen stark digital ausgerichtet. Eine Präsenz ist nur zu mindestens zwei Terminen pro Semester verpflichtend.
Im Anschluss wurde uns das Mentaflettan-Projekt vorgestellt. Der Fokus liegt auf einer professionellen Weiterentwicklung der Lehrpraxis und dem Finden eines Weges um kooperative Lerngemeinschaften zu erschaffen. Durch spezifische Weiterbildungen werden professionelle Lerngemeinschaften (Professional learning Communities) erarbeitet.                                                                                           
Prozessual werden fortlaufend vier Bereiche bedient:

  • Reparation
  • Meeting
  • Learning conversation/ Meeting
  • Daily practice

 

Feminist Walking Tour

Als abschließende inhaltliche Veranstaltung dieses Tages haben wir an einer feministischen Stadtführung teilgenommen. Die Idee dazu entstand, um dem Anspruch entgegenzukommen, dass Inklusion der Weg zur Teilhabe aller diskriminierten Gruppen sein sollte.

Island hat 1915 als eines der ersten Staaten der Erde das Frauenwahlrecht eingeführt und diese führende Rolle in Bezug auf Frauenrechte und gesellschaftliche Rolle der Frau beibehalten. Beispielsweise ist der Gender-Pay-Gap in Island einer der niedrigsten weltweit. Als eines der wichtigsten Ereignisse in diesem Kontext ist der Frauenstreik am24. Oktober 1975 zu nennen, durch den eine Anpassung der Löhne zwischen Männern und Frauen eingeleitet wurde. 

Das isländische Abtreibungsrecht hat Frauen schon früh das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper zugestanden. Auch in Bezug auf die Rechte der Menschen aus der LGBTQI-Community zeigt sich die isländische Gesellschaft sehr fortschrittlich: am Pride-Day nehmen jährlich mehr als 100.000 Menschen Teil (das entspricht knapp einem Drittel der Gesamtbevölkerung des Landes) und mit Jóhanna Sigurðarsdóttir hatte das Land in den Jahren 2009-2013 die erste offen homosexuelle Premierministerin.

Selbstverständlich gab es auch vieles Kritisches zu berichten, beispielsweise von Frauen, die nicht sichtbar gemacht wurden, oder Politikern, die Sitzungen schwänzen, um stattdessen in der Kneipe neben dem Parlament frauenverachtend über Kolleginnen zu sprechen und anschließend ohne ernsthafte Konsequenzen weiterhin dem Parlament angehören können.

Text: Joscha Kukuk & Lucia Staib